Kontakt | Impressum
 

Buchtipp: Regieren Sie doch selbst, Madame!

In ihrem neuen Buch wendet sich die bekannte Historikerin und Sachbuch-Autorin Karin Feuerstein-Praßer einem brandenburgischen Herrscherpaar zu, dass zweifellos in einem spannenden Verhältnis miteinander lebte und Geschichte schieb, wie der Titel des Buch unschwer erkennen lässt: „Regieren Sie doch selbst, Madame!“ Luise Henriette und der Große Kurfürst.

Bevor der Große Kurfürst das wurde, was der Name in den historischen Annalen betont, hatte er die Niederlande besucht und dort jene junge Prinzessin kennen gelernt, die ihm als kluge Frau und beeindruckende Persönlichkeit beim Wiederaufbau Brandenburgs nach den Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges zur Seite stehen sollte. Sie war die älteste Tochter des Staathalters der Niederlande, Friedrich Heinrich von Oranien-Nassau, und seiner Frau Amalia von Solms-Braunfels, die als Hofdame der Winterkönigin ins Land gekommen war.

Durch die Verheiratung ihrer vier Töchter inspirierte der niederländische Stil die Hofkultur mehrerer deutscher Fürstenhäuser und beflügelte Künstler und Handwerker zu Leistungen von höchster Eleganz. Die Prinzessinnen verkörperten regelrecht das „Goldene Zeitalter“. Noch Jahrhunderte später beriefen sich deren Nachfahren auf ihren Schönheitssinn. Die Oranier-Schwestern kultivierten niederländischen Geschmack und Moden, förderten Gartenkunst und Residenzkultur. Bis heute erinnern die Namen von Schlössern und Städten an sie.

Im nördlich von Berlin gelegenen Schloss Oranienburg residierte die älteste Tochter Louise Henriette, die 1646 den Kurfürsten von Brandenburg geheiratet hatte. Ein Schloss, ein Fluss, eine Frau – könnte man kurz zusammenfassen, denn diesen Landsitz an der Havel hatte der Große Kurfürst 1650 öffentlichkeitswirksam Luise Henriette geschenkt. Das einstige Bötzow wurde in Oranienburg umbenannt und bewahrte – nicht zuletzt durch das Denkmal vor dem Schloss Oranienburg – ihr Andenken.

Kurfürstin Louise Henriette schaut von ihrem Denkmalssockel gelassen herab. Zumal dem Schloss nur eine kurze Glanzzeit vergönnt war. Nach dem Tod Louise Henriettes 1667 ließ ihr Sohn Friedrich I. noch einmal großzügig umbauen. Dessen Enkel Friedrich II. schenkte das Schloss seinem Bruder August Wilhelm, nachdem er die schönsten Kunstwerke für seine eigenen Schlösser aussortiert hatte. August Wilhelms Sohn König Friedrich Wilhelm II. schenkte es seiner Schwiegertochter, Kronprinzessin Luise, zum Geburtstag. Sie nutzte es selten – und so geriet es schließlich in Vergessenheit. 1802 folgte der Verkauf des Schlosses und eine mannigfaltige Nutzung setzte ein: Weberei, chemische Fabrik, Lehrerseminar, Militär, Polizeischule, Verwaltung bis hin zu Abriss sowie Auf- und Umbauten. Das Schloss erwachte erst durch die Restaurierungen für die große Oranier Ausstellung 1999 aus dem Dornröschenschlaf.

Louise Henriette hat auch den südwestlich vom Schloss gelegen Lustgarten anlegen lassen. Gestaltet im Stil ihrer holländischen Heimat, war er quadratisch, nicht streng auf das Schloss ausgerichtet und von einer Mauer umgeben. Geometrisch angelegte Beete schmückten die Anlage, wobei sich in der Mitte eine kleine Anhöhe mit einem als „Grotte“ bezeichneten Lusthaus befand. Bäume, Ziersträucher, Blumen und verschiedene Gemüse wuchsen in den Beetquartieren.

Stadt, Schloss und Garten zu besuchen, ist auf jeden Fall eine Reise wert. Alles ist verändert, aber dass jener Genius loci das Wirken einer eindrucksvollen Persönlichkeit bewahrte, lässt sich auf interessante Weise in Karin Feuerstein-Praßers Buch nachvollziehen. Die Autorin folgt den Spuren der Oranier-Prinzessin und porträtiert sie vor dem Hintergrund der historischen Ereignisse und setzt ihr damit ein gelehrtes und unterhaltsames Denkmal. Der Autorin gelingt es, auf 144 Seiten das Leben dieser Frau, die ihre dynastische Verpflichtung zum Erhalt der Hohenzollern erst nach geraumer Zeit erfüllen konnte, in einer von Konflikten und Bedrohungen erfüllten Zeit anhand der Quellen zu beleuchten, sodass deren Energie und Willensstärke fassbar und nachvollziehbar werden.

Ausgewählte Abbildungen von Gemälden und Grafiken illustrieren den Band und bilden eine interessante Folie, vor der die Lebensgeschichte zu betrachten ist. Die Lektüre vermag eine Ahnung von dem zu vermitteln, wie mühsam und zermürbend es für Luise Henriette gewesen sein muss, ihrem Bedürfnis nach geistreicher Gestaltung und kluger Politik zu folgen. Angesichts der finanziellen Nöte und politischen Gefahren, aber auch der gesundheitlichen Probleme verwundert, vielmehr beeindruckt es zutiefst, dass Luise Henriette die Kraft fand, weit über ihre dynastische Aufgabe hinaus schöpferisch zu wirken und historisch fassbar zu bleiben. Die Lektüre lädt ein mit dem Buch in der Hand auf Reisen zu gehen!

Karin Feuerstein-Praßer
Regieren Sie doch selbst, Madame!
Luise Henriette und der Große Kurfürst
144 Seiten
ISBN/EAN: 9783791733494
Pustet Verlag Regensburg

Veröffentlicht unter Allgemein, Buchtipps | Hinterlasse einen Kommentar

Kommentare sind geschlossen.