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Rostock feiert!

 

 

Mit der ersten Sekunde des Jahres 2018 begann für die Hanse- und Universitätsstadt Rostock das Doppeljubiläum von Stadt und Universität, das zwei Jahre lang das Leben in der Stadt an der Warnow bestimmen wird. 2018 feiern Rostocker und Gäste 800 Jahre Stadtgründung und 2019 600 Jahre Gründung der Leuchte des Nordens, wie die Rostocker Universität genannt wurde. Denn ihr Ruhm strahlte weit bis nach Skandinavien aus und inspirierte dort Gelehrte und Herrschende ebenfalls zu Universitäts-Gründungen.

Sieht man der Schönen ihr Alter an? Wohl kaum. Aber man kann ihr den Puls fühlen, besser ihr Ticken. Mit der ersten Bewegung des Uhrzeigers im Jahre 2018 begann zugleich die Indienstnahme einer neuen Kalenderscheibe an der Astronomischen Uhr in der Rostocker Marienkirche. Es ist die fünfte Scheibe an dieser aus dem Jahre 1472 stammenden Wunderuhr. Wie sonst sollen wir Zeitgenossen des Digitalen so ein Wunder an Mechanik, Astronomie, Religiosität, Mathematik und Schönheit begreifen. Zumal es die wahrlich gefährlichen Zeitläufte einigermaßen unbeschadet überstanden und immer wieder Bewunderer in ihren Bann gezogen hat, die zu Rettern wurden. Wie Manfred Schukowski, der die neue bis 2150 anzeigende Scheibe berechnet hat.

Wer zum 12-Uhr-Glockenschlag vor der Uhr steht und zuschaut, wie der Apostelumgang einsetzt, wer sich in den geschnitzten Allegorien schauend verliert und von den Geräuschen des Uhrwerkes hinfort tragen lässt, der mag für einen Augenblick all derjenigen gedenken, die einst ehrfurchtsvoll und stolz hier lebten und wirkten. Ich versuche es und lasse den Gedanken freien Lauf. Schon sehe ich die mutigen Siedler vor mir. Waren es Slawen oder kamen die ersten Siedler noch aus anderen Gegenden hierher? An den Ufern des Flusses Warnow, der sich zu dieser Zeit noch in mehreren Deltaarmen ins Meer ergoss, errichteten sie die ersten Hütten. Der Name des Flusses und der Stadt sind slawischen Ursprungs. Sie richteten sich in diesem sumpfigen Landstrich ein, fingen Fische, fertigten, tauschten und handelten. Andere kamen hinzu, kauften im Umland dies und das nahmen schließlich als Kaufleute der Hanse Kurs auf die Ostsee, die ihr Garant zum Erfolg wurde. Sie sprachen plattdeutsch und bauten eine Stadtmauer aus Backstein mit Toren und Wiekhäusern.

Der Fluss brachte Reichtum und Ansehen, sodass die gotischen Kirchtürme bald in den Himmel wuchsen und aus der Ferne vom Kaufmannsglück kündeten. Schon lagerten in den Speichern neben Tonnen voller Heringen oder Bier und Säcken voller Getreide auch kostbare Gewürze, Zucker, Kaffee und Tabak, während eifrige Buchhalter am Pult im Kontor standen und das Backfischlachen der jungen Damen in seidigen, ausladenden Kleidern auf den mit Feldsteinen gepflasterten Gassen widerhallte. Kaum verwunderlich, dass ein Zweig der Familie von Thomas Mann aus Rostock stammte. Wenige Schritte von der Astronomischen Uhr entfernt, befindet sich ihr Familiengrab, ist das gestiftete Glasfenster zu bewundern.

Natürlich denke ich an die aus nah und fern angereisten Studenten, im abgewetzten Rock und ihren kostbaren Mitschriften unterm Arm. Während Seefahrer und Kaufleute heute kaum auf den ersten Blick zu erkennen sind, prägen Studenten das Antlitz der Stadt sicher am deutlichsten. Denn trotz der Jubiläen ist Rostock eine junge Stadt. Das kann jeder beim Bummeln auf der Fußgängerzone zwischen dem mittelalterlichen Kröpeliner Tor und dem im Renaissance-Stil erbauten Steintor sehen. Ich beobachte diese quirlige Lebendigkeit der 800-Jährigen auf dem Neuen Markt zwischen Marienkirche und Rathaus, umringt von rekonstruierten Giebelhäusern. Wenn ich mir jetzt grüne Heringe und ein Rostocker Pils bestelle, müsste sich historisch betrachtet der Bogen schließen. Denn Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen – und das seit 800 Jahren!

Veröffentlicht unter Allgemein, Auf Reisen | Verschlagwortet mit | 2 Kommentare

2 Antworten zu “Rostock feiert!”

  1. Editha Weber sagt:

    Vielen Dank. Das freut mich wirklich sehr. Derweil arbeite ich am zweiten Teil. Es geht also bald weiter mit den Fürstinnen im Grünen. LG EW

  2. isabella m. sagt:

    Hallo Frau Dr. Weber,
    Ich nehme mir heute mal die Zeit Ihnen zu schreiben.
    Ich habe zu Weihnachten Ihr wundervolles Buch “Fürstinnen im Grünen” von Ihrem Reisegast bekommen. Ich bin ein Fan geworden.
    Toller Schreibstil. Ich freue mich auf weitere Bücher und Einträge.
    Herzliche Grüsse
    Isabella M. aus Lederhose

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