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Buchtipp: Alles behalten für immer. Ruth Rilke

Wer Rilkes Gedichte liest und liebt, beschäftigt sich meist auch mit dem Leben des Dichters. Dass er Frau und Kind hatte, mag für manchen nur als eine Randnotiz auf dem Lebensweg des Mannes erscheinen, der intensive Gefühle in Worte fasste, die bis heute tief berühren können.

In der Tat war er mit einer der interessantesten Künstlerinnen seiner Zeit verheiratet, wenn das gemeinsame Leben auch eher kurz und in ungewöhnlicher Weise verlief. Seine Frau war Clara Westhoff (1878-1954), die als Malerin und Bildhauerin arbeitete und lange im Umkreis der Künstlerkolonie Worpswede lebte. In Worpswede lernte sich beide 1900 kennen.

Am 28. April 1901 fand die Trauung von Clara Westhoff und Rainer Maria Rilke statt, doch das eheliche Zusammenleben dauerte nur rund sechszehn Monate. Am 12. Dezember 1901 brachte Westhoff-Rilke die Tochter Ruth (1901-1972) zur Welt. Bereits im August 1902 verließ Rilke jedoch Mutter und Kind und reiste nach Paris. Clara Westhoff-Rilke löste den gemeinsamen Haushalt auf und entschied sich, ihre Tochter zu ihren Eltern zu geben.

Über die gemeine Tochter des Paares ist in der öffentlichen Wahrnehmung relativ wenig bekannt. Die Literaturwissenschaftlerin Erika Schellenberger hat es sich zur Aufgabe gemacht, sich in ihrem Roman „Alles behalten für immer. Ruth Rilke“ dieser Frau auf behutsame und erhellende Art zu nähern. Ruth Rilke hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, den Nachlass ihres Vaters zu bewahren.

Erika Schellenberger hat eine faszinierende Struktur gefunden, um Ruth Rilkes Lebensweg und ihre sehr persönlichen Beweggründe darzustellen. Es ist eine auf Assoziationen beruhende Erzählung der Lebensstationen mit Rückblicken auf verschiedene Jahre. Den Rahmen bildet eine Begegnung. Die Protagonistin lebt 1957 im kleinen Fischerhude, einem Künstlerdorf in der Nähe von Bremen, und blickt anlässlich der Begegnung mit einem Radiojournalisten zurück.

Wie in Miniaturbildern gezeichnet, gelingt es der Autorin in den Szenen der Rückblicke auf einzelne Jahre, eine Atmosphäre der innigen Beziehungen zwischen Ruth Rilke und ihrem Vater, den sie „Väterchen“ nennt, aber auch zu ihrer Mutter Clara Westhoff, zu erzeugen. Inspirationen, Ambitionen, Sehnsüchte und Hoffnungen treiben die Entwicklungen im Inneren voran und finden Ausdruck in Handlungen, etwa der Einrichtung und Bewahrung des Archives oder der Erarbeitung entsprechender Publikationen.
Die Autorin konzentriert sich auf die liebevolle Hinwendung der Tochter zum Werk ihres bereits 1926 an Leukämie verstorbenen Vaters. Vor dem Hintergrund des Zeitgeschehens ringt Ruth Rilke darum, ihre Aufgabe zu erfüllen und dem Andenken ihres Vaters gerecht zu werden. Eingefasst in die erzählerische Annäherung sind viele Zitate, die diese sehr aus der Innenschau aufgebaute Handlung harmonisch ergänzen. Die Autorin konnte zudem bisher unveröffentlichtes Material aus dem Familienarchiv verwenden, das Ruth Rilkes Stieftochter, Uta Addicks, ihr zugänglich gemacht hat.

Das Buch erfasst einen auf intensive Weise, wenn man sich darauf einlässt, dem Gedankenfluss zu folgen. Auf dem Fundament intensiver Recherchen – sieben Jahre lag ging die Germanistin auf Spurensuche – zum Leben Ruth Rilkes hat Erika Schellenberger eine literarische Annäherung geschaffen, die die Aufmerksamkeit auf die Leistungen einer Frau lenkt, deren Bestreben es stets war, das Werk ihres Vaters ernst und innig zu behüten. Anders als sie es wohl gewollt hätte, steht hier das „Dichterkind“ im Mittelpunkt, sodass von dieser Perspektive aus, eine neue Facette im Leben des berühmten Dichters erhellt wird.

Alles behalten für immer. Ruth Rilke
Erika Schellenberger
ISBN:     978-3-86915-278-3
Seiten:  224
Hardcover
Verfügbar auch als E-Book
Verlag ebersbach & simon

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