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Buchtipp: Krautwelten

Mit dem Schwinden des Tageslichtes steigert sich bei so manchem Mitmenschen der Appetit – und mit ihm das Interesse, sich länger in der Küche und am Herd aufzuhalten. Was kann man wie zubereiten, heißt es da. Was geben Kühlschrank und Keller her? Was bieten die Obst- und Gemüseregale? Zweifellos ist das Angebot saisonaler Gemüse auf ein Minimum reduziert. Gartenbeete und Felder sind fast gänzlich abgeerntet. Da schlägt die Stunde eines Gemüses, nämlich der Kohlgewächse, die sich als überraschend vielgestaltig und schmackhaft erweisen. Lange Zeit galten Kohlsuppe, Sauerkraut und Krautpfanne als Arme-Leute-Essen. Inzwischen feiern Genießer wie Menschen, die sich für biologisch angebaute und entsprechend der Jahreszeit verarbeitete Ernten interessieren, Krautköpfe aller Couleur. Selbst passionierte Feinschmecker würdigen seine Geschmacksvielfalt und Raffinesse. Ist das allein der derzeitigen Mode geschuldet?

Angelika Overath widmet sich in dem so elegant wie lehrreich gestalteten Band der Insel-Bücherei Nr. 1504 mit dem Titel „Krautwelten“ auf 117 Seiten dem beliebten Wintergemüse – und weiß von dessen botanischen und kulturgeschichtlichen Beziehungen zu berichten. Mit erzählerischer Leichtigkeit und tiefgründigem Interesse gelingt es ihr, den Facettenreichtum einer Pflanzenart zu beleuchten, die seit Alters her Nahrung bot und das Überleben sicherte (etwa im Kapitel „Mit Kraut auf Hoher See“). Deren Fasern und Speicherorgane der menschlichen Gesundheit jedoch weit mehr nützen können (Kapitel „Mit Kraut heilen“) – nicht allein als ein schlichtes Lebensmittel. Man staunt beim Lesen sehr, wenn man Näheres erfährt von all der Symbolhaftigkeit, dem Interesse der Künstler (Kapitel „Kohlpflanzen im Stillleben“) wie der natürlichen Beliebtheit der Kohlpflanzen bei Mäusen, Igeln, Füchsen, Mardern, Vögeln und Insekten. Die Autorin komplettiert ihre Darstellungen mit einer Reihe von Portraits einzelner Kohlarten, die von Weiß-, Rot-, Spitzkraut über Blumenkohl und Wirsing bis zum Pak Choi und Kohlrabi reicht.

Die Art, wie die Autorin ihre persönlichen Erfahrungen beschreibt (Kapitel „Warum ein Buch über Kraut, Kohl, Kabis und all ihre wundersamen Verwandten?), und wie sie naturwissenschaftliche wie ernährungsphysiologische Forschungen und Erkenntnisse präsentiert, erscheint an keiner Stelle akademisch, sondern lehrreich, sorgfältig recherchiert und so packend, dass die lesende Gärtnerschaft und die kochbegeisterte Leserschaft das Buch mitsamt den passend ausgewählten Illustrationen nicht mehr aus der Hand legen werden. Besagte Illustrationen umfassen etwa die „Kohlkinder“ oder eine modisch-elegante Kohl-Lady, die zum Schmunzeln anregen, sowie die Wiedergabe künstlerischer Werke.

Eine anschauliche, schmackhafte und spannende Lektüre, die durchaus als eine Einladung in die Küche verstanden werden darf und zum Erkunden lukullischer Genüsse ebenso veranlasst wie zu fürsorglichem Umgang mit dem eigenen Körper. Ein Muss für jede Leserin und jeden Leser in der winterlichen Wartezeit auf das neue Grün!

Die 1957 in Karlsruhe geborene Autorin Angelika Overath studierte Germanistik, Geschichte und Italianistik in Tübingen und arbeitet als Reporterin, Literaturkritikerin und Dozentin für Kreatives Schreiben. Sie wurde u. a. mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis für literarische Reportage ausgezeichnet. Angelika Overath lebt in Sent, Graubünden. (Website: https://schreibschule-sent.ch/)

Angelika Overath
Krautwelten
117 Seiten
978-3-458-19504-7
Insel-Bücherei 1504

Verlag Suhrkamp Insel

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