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Die Engländerin. Teil I: Die Gouvernante

 

Die Vorstellungen, die sich Deutsche im 19. Jahrhundert von Engländerinnen machten, sind vielgestaltig. Da findet sich die kühle Lady, wie sie etwa in den Verfilmungen der Agatha Christie Romane auftaucht, ebenso die puritanisch strenge Gouvernante und der emanzipierte Blaustrumpf, eine Figur, die wiederholt als selbstbewusste Weltreisende auftritt.

Die Gestalt der englischen Gouvernante tauchte zu dieser Zeit in der englischsprachigen Literatur immer häufiger auf. Zunehmend konnten ihr die Leser auch in Deutschland begegnen. Eine der berühmtesten Gouvernanten der Literatur hat Charlotte Brontë (1816 – 1855) in ihrem 1847 publizierten Roman „Jane Eyre“ erschaffen. Das Werk trägt autobiographische Züge und erzählt vom Lebensweg einer Gouvernante.
Die englischen Gouvernantenromane haben das Bild dieser Frauen auf ganz unterschiedliche Weise geprägt. Zum eine taucht jene als steife, humorlose und moralisierende Frau auf, zum anderen wird sie als ein „armes Ding“, eine sich mühevoll und ohne familiäre Hilfe selbst erhaltende Frau dargestellt.

Charlottes Schwester Anne Brontë (1820 – 1849) hat als erste in ihrem Buch „Agnes Grey“ eine Gouvernante in der Ich-Form von ihrem Leben berichten lassen. Der Roman erschien im selben Jahr wie „Jane Eyre“, entstand jedoch früher. Obwohl im Vergleich zu England die Figur der Gouvernante in der deutschen Literatur nur eine untergeordnete Rolle spielte und als literarischer Typ hier die „Französin“ weitaus mehr im Vordergrund stand, war „Jane Eyre“ in Deutschland ein beachtlicher literarischer Erfolg beschieden. Im Jahre 1848 lag die erste Übersetzung ins Deutsche vor, der weitere, insgesamt sechsundzwanzig deutsche Bearbeitungen folgten.

Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts tauchten in den Haushalten des Adels und des wohlhabenden Bürgertums in Deutschland neben Gouvernanten aus Frankreich und der Schweiz zunehmend englische Erzieherinnen auf. Ihre Bedeutung für die Erziehung der „höheren Töchter“ blieb allerdings im Vergleich zu den „Französinnen“ begrenzt. Zu erwähnen bleibt, dass die Stelle als Hauslehrerin in steigendem Maße von staatlich geprüften deutschen Lehrerinnen eingenommen wurde.

Englische Gouvernanten repräsentierten andere Erziehungsziele als ihre Kolleginnen. Neben Sprachkenntnissen sollten sie den jungen Damen Selbstdisziplin und korrekte Haltung vermitteln. Dies erfolgte durch Abhärtung in Form von dünner Kleidung, kaltem Wasser, gut gelüfteten Schlafzimmern und ungewürzter Kost.

Etwa um 1850 trat der englische Sprachunterricht in den Lehrplänen der höheren Töchterschulen neben das Französische. Zum Ende des 19. Jahrhunderts findet sich gar in manchen reichen deutschen Familien neben der „Mademoiselle“, zuweilen auch anstelle dieser eine „Miss“. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lernten Kinder in reichen Haushalten oft bereits von einer englischen Nurse, Nanny genannt, die englische Sprache. So war es zum Beispiel der Fall bei der einzigen Tochter Kaiser Wilhelms II., Viktoria Luise (1892 – 1908).

 

 

 

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