Im späten 18. Jahrhundert diskutierten viele Interessierte in der deutschen Öffentlichkeit über die Errichtung von Seebädern nach englischem Muster. 1793 veröffentlichte der Göttinger Gelehrte Georg Christoph Lichtenberg einen Aufsatz mit der Frage „Warum hat Deutschland noch kein großes öffentliches Seebad?“ Zunächst resümiert er, dass es zwar hier und da einsame Orte gäbe, wo man gefahrlos und bequem in der See baden könne. Schließlich fragt er nachdenklich: „Allein wo sind die Orte, die, wie etwa Brighthelmstone, Margate und andere in England in den Sommermonaten an Frequenz selbst unsere berühmtesten inländischen Bäder und Brunnenplätze übertreffen?“
Lichtenberg beschreibt detailliert, wie Badekarren, von je einem Pferd gezogen und von einem Kutscher gelenkt, ins Meer gezogen wurden. In dem kleinen Karren entledigten sich die Badewilligen ihrer Kleidung, um an einer tieferen Stelle über eine Leiter oder an einem Seil hinunter ins Meer zu steigen. Nackt, versteht sich.
Selbstsicher urteilte Lichtenberg, dass die Ostseeküste gänzlich ungeeignet für derartige Vergnügungen sei. Obschon er diese gar nicht kenne, wie er zugibt. Die Nordsee mit der „Majestät“ des Schauspiels von Ebbe und Flut sei für diesen Zweck weitaus geeigneter.
Lichtenberg kannte England, er hatte es mehrmals bereist. So wie er London beschrieben hatte, in seiner unvorstellbaren Größe und Vielfalt, ging das so gezeichnete Bild von der Großstadt in die Literaturgeschichte ein. Wie sich Englands Adel und wohlhabendes Bürgertum fern ab vom Trubel der Metropole in Margate an der Themsemündung erholten, erschien ihm für die Deutschen nachahmungswürdig. Mediziner plädierten für die Einrichtung von Seebädern zur Stärkung von Körper und Geist. Allgemein wurde zu dieser Zeit erwartet, dass ein ostpreußisches Dörfchen hier den Anfang mache. Doch der Mecklenburger Fürst ergriff als Erster die Initiative und gründete das Seebad Heiligendamm 1793 – also in dem Jahr, in dem Lichtenbergs Artikel erschien.