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Buchtipp: Fontanes Sommerfrischen

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus, heißt es ja allgemein. Im Falle des Fontane-Jubiläums trifft das fraglos zu. Auch wenn sich erst im Dezember 2019 der Geburtstag des Dichters zum 200. Male jähren wird, dürfen sich Fontane-Fans auf dieses Jahr freuen, in dem man an mancherlei Orten an den Schriftsteller erinnert.

Nicht zuletzt durch Fontanes „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ ist hinlänglich bekannt, dass der Dichter gerne und oft verreiste und insbesondere durch seine Tätigkeit als Korrespondent quer durch Europa unterwegs war. Dabei belebten die Aussichten und Beobachtungen an anderen Orten und in anderen Ländern Fontanes Schaffen auf vielfältige Weise. Das unter dem Titel „Fontanes Sommerfrischen“ erschienene Buch bietet thematisch eine spannende Ergänzung zu dem, was dem neugierigen Leser bisher bekannt gewesen sein dürfte.

Der Autor Bernd W. Seiler interessiert und konzentriert sich in seinem 184 Seiten umfassenden Buch jedoch ganz speziell auf Fontanes Reisen, die in gewissem Sinne zwar seiner Erholung dienen sollten, letztlich jedoch mehr eine Umsetzung seines Schreibtisches bedeuteten. Denn zum einen floh Fontane vor der sommerlichen Geruchsbelästigung in Berlin und zum anderen fand er im gesellschaftlichen Umgang andernorts Anregungen für seine Romane. Manchmal wählte er seine Aufenthaltsorte regelrecht nach den Bedürfnissen seines schriftstellerischen Wirkens aus.

Es musste also gute Luft ebenso wie anregende Gesellschaft geben, wenn er über den Sommer für mehrere Wochen etwa an Nord- und Ostsee reiste oder in den Harz, ins Riesengebirge und ins städtische Umland Berlins aufbrach. Wobei seine Erwartungen hinsichtlich des einen wie des anderen nicht immer erfüllt wurden, wie Fontanes Briefe, die von Bernd W. Seiler akribisch ausgewertet wurden, belegen. Einmal waren es die Kosten für Unterkunft und Verpflegung, dann wieder die schlechte Luft, der mangelhafte Service oder die unerfreuliche Gesellschaft über die sich der Dichter beschwerte und klagte. Trotzdem illustrierten, ja bereicherten seine Beobachtungen von Umgebung und Menschen seine Werke. Es ist amüsant Bernd W. Seiler auf seiner doppelten Spurensuche zu folgen, die einen wieder mitten hinein in bekannte oder weniger bekannte Romane Fontanes ebenso wie in beliebte Ferienregionen führt. Wer inspirierte Fontane nun zu Effi Briest oder zu dem getöteten Jäger?

Unterhaltsam und lehrreich führt der Autor die Leserschaft nicht allein in Fontanes sommerliche Lebenswelten, sondern informiert höchst umfassend über das Reisen zur Kaiserzeit mit all seinen klassenspezifischen Alltäglichkeiten, die sich schon in der Anreise per Bahn oder in der Wahl der Unterkünfte zeigen. Bernd W. Seiler rechnet um, vergleicht, setzt Kosten und Verhältnisse in Beziehung zueinander, sodass er ein sehr dichtes und detailliertes Bild von den Zuständen kurz vor 1900 zeichnen kann. Es ist aussagekräftig, dass Fontane dritter Klasse fuhr, bekannt als Holzklasse, und sich in der Regel in Pensionen und Privatzimmern einquartierte – und es drückt sich in seinen Szenarien aus. Die zahlreichen historischen Fotografien, die oft im Vergleich mit aktuellen Aufnahmen präsentiert werden, sowie die Postkarten und Grafiken ergänzen den Text außerordentlich gut und vermitteln überzeugend einen Eindruck dieser längst verlorenen Welt von Grafen und Kutschern, Comtessen und Pensionswirtinnen, von Damen- und Herrenbädern am Meer und der wachsenden Reiselust der Wilhelminer. Dieses Buch muss man in der Tat in einem Zug durchlesen und gleich anschließend wird man sich im Bücherschrank nach Fontanes Romanen umschauen. Fabelhaft, somit darf das Jubiläumsjahr als eröffnet angesehen werden!

Seiler, Bernd W.
Fontanes Sommerfrischen
Quintus Verlag
184 Seiten, 290 Abbildungen
Hardcover mit Schutzumschlag
Fadenheftung Format: 24,0 x 28,0 cm
ISBN: 978-3-947215-31-7

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