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Buchtipp: Am Rande der Glückseligkeit. Über den Strand

Druckfrisch zum frühlingshaften Erwachen der Natur und einer gesellschaftlich-sozialen Anknüpfung an Vergangenes erscheint das neue Buch von Bettina Baltschev mit dem Titel „Am Rande der Glückseligkeit. Über den Strand“. Um es vorab zu gestehen, es zieht einen mit sich fort, an den Strand, durch die Zeit, löst einen aus dem Hier und Jetzt durch zweierlei: ihre ruhige, taktvolle Sprache und ihre spannende, nachklingende Erzählung von Menschen am Strand. Auch wenn das Buch im Untertitel den Strand wie einen Lockvogel, wie einen Sehnsuchtsort, eine Erinnerung pointiert, sind es die Frauen und Männer, malend, dichtend, denkend, sinnierend, vergnügt oder melancholisch, denen sie nachspürt, folgt, die sie bei ihren Strandspaziergängen begleiten, die sie lebendig werden lässt.

Belesen und weltgewandt wandelt sie durch die Kulturgeschichte der menschlichen Beziehungen zum Wasser, zu den Meeresküsten und den Fischerorten, die zu mondänen Weltbädern wurden. Sie erzählt wie es war, bevor der Mensch die Gestade, Ufer, Küsten entdeckte, woher das Wort Strand stammt, wie es sich in der Sprache vieler durchzusetzen begann. Zu gerne wüsste man als Leser, wie die Idee zu diesem Buch ganz langsam in den Gedanken der Autorin reifte, lange bevor sie die erste Zeile schrieb oder jemandem ihre Idee offenbarte. Keine Frage, am Strand natürlich, aber was löste diese Verbindung aus? Sicher, die Autorin fasst es in ihrem Vorwort in Worte. Doch hat es vor den Worten Bilder, Gerüche, das Rauschen des Meeres gegeben. All das, was einen beim Strandspaziergang so durch den Kopf geht, fängt sie ein. Aber wie. Sie verknüpft so selbstverständlich und klug, so spannend und berührend. Da erscheinen Menschen am Strand, ob sie einst real lebten, wie Robert Capa, Hugo Grotius oder Gerhart Hauptmann, oder als Romanfiguren die Literatur bevölkern, wie die junge Tony Buddenbrook.

Denn durch die so einfühlsame und durch Literatur und Kunst geprägte Annäherung an acht Küstenregionen scheinen immer wieder sehr persönliche Erfahrungen und Begegnungen der Autorin hindurch. Es sind ihre Augen, ihre Gedanken, denen die Leser folgen können – und doch ist es so viel mehr. Den Hintergrund bilden die Strände, aber das Geschehen bestimmen diejenigen, die als Akteure und Beobachter zugleich hier badeten, flanierten, drohten, bedrohten, erlitten. Wenn Bettina Baltschev nach Scheveningen, Brighton, Oostende, Utah Beach, Hiddensee, Ischia, Benidorm und Lesbos reist, werden diese Orte zu Reflexionsflächen von erschütternden Begebenheiten und Auseinandersetzungen. Diese acht europäischen Orte, wo Land und Meer sich begegnen, fanden und finden Veränderungen statt, die alles andere als Glückseligkeit verkörpern. Warum verbinden wir Menschen trotzdem so viel Sehnsuchtsvolles, Ungesagtes, so viel Imagination mit dem sandigen oder steinigen Nirgendwo, dem wir einst einen Namen gegeben haben.

Die Autorin hat sich auf eine Reise zu diesen Orten begeben, die zum einen Landschaften zeigt und zum anderen Erinnerungen von Menschen wachhält, die weit weniger sehnsuchtsvoll und heiter sind, viel eher dramatisch, tragisch und bedrohlich. Mit diesem Buch geht man selbst auf eine Reise im Geiste, die so viele persönliche Erinnerungen verknüpft und mit Verwunderung das Bild des romantischen Sonnenuntergangs am Strand als eine kollektive Fantasie heraufbeschwört und kritisch betrachtet, die ihre Wurzeln zwar in Literatur und Kunst hat – und dennoch an „den Rand der Glückseligkeit“ zu führen vermag. Lesen, einfach lesen!

Bettina Baltschev
Am Rande der Glückseligkeit
280 Seiten
ISBN 978-3-946334-85-9
Berenberg Verlag

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